Sushi auf der Straße

Nun wohne ich schon knapp einen Monat hier, deshalb wird es mal Zeit Euch meine neue Heimatstadt und mein Zuhause- das YMCA Haus vorzustellen.

Valparaíso mi amor

Wie die meisten ja wahrscheinlich schon wissen, darf ich das wunderschöne Valparaíso noch die nächsten acht Monate mein Zuhause nennen.

Es liegt an der Pazifikküste etwa 1,5 Fahrtstunden von Santiago entfernt und unterscheidet sich auf so manch eine Art und Weise von unseren deutschen Städten. Zunächst mal zur geographischen Lage: wunderschön am Meer gelegen besitzt Valparaíso einen Hafen an dem ich lustiger Weise schon unzählige „Hamburg Süd“ Container erspähen konnte. Dieser hat aber seit der Eröffnung des Panamakanals stark an Bedeutung verloren. War er Anfang des letzten Jahrhunderts noch einer der zwei wichtigsten Häfen Amerikas, so geht es heute eher ruhig zu und es scheinen mehr Rundfahrtsboote für Touristen anzulegen als große Frachter.

 

 

Diese Entwicklung wird auch im Stadtbild sichtbar. Die prächtig verzierten Häuser in manchen Teilen der Stadt zeugen von der Vergangenheit einer florierenden Hafenstadt. Dieser Glanz ist heute jedoch verflogen und man kann erkennen, dass die Stadt ohne die Einnahmen vom Hafen doch ziemlich verarmt ist. Dementsprechend ist Valparaíso auch ziemlich dreckig und es gibt nicht nur zahlreiche heimatlose Menschen sondern auch sehr viele Straßenhunde, die überall herumstreunen. Diese sind aber weder aggressiv noch wirklich störend und sie scheinen sogar die Verkehrsregeln mehr zu beachten als die restlichen Stadtbewohner. Im Gegensatz zu den meisten Menschen hier warten manche Hunde nämlich brav an einer roten Fußgängerampel und überqueren die Straße auch wirklich erst bei grün.  

Da wären wir auch schon bei dem nächsten Thema angelangt: dem Verkehr. Eine unserer Größten Herausforderungen war es bisher uns mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurecht zu finden. Denn es gibt in der ganzen Stadt kein wirkliches Straßenbahn- geschweige denn U-Bahn Netz. Was es jedoch gibt sind unzählige Kleinbusse, die sogenannten „Micros“. Mit diesen Micros ans gewünschte Ziel zu kommen ist aber zunächst mal gar nicht so einfach. Erstens gibt es keine ausgezeichneten Bushaltestellen an denen man ein- oder aussteigen kann, sondern oft winkt man einfach dem Fahrer zu und dieser hält dann mitten auf der Straße an. Auch wenn es keine Fahrpläne gibt, hat jeder Bus ein eigenes Schild mit einigen Stationen, die angefahren werden und hält auch meistens an den selben Orten. Welche das genau sind muss man aber erst einmal rausfinden. Da es auch keine geregelten Abfahrtszeiten gibt kann es auch mal sein, dass man zwanzig Minuten auf den Bus wartet. 

Dennoch scheint alles irgendwie nach einem System abzulaufen, das aber ziemlich chaotisch ist. Ich glaube da brauche ich noch die ein oder andere Woche bis ich mich da wirklich zurecht finde. Wenn man dann mal die richtige Micro gefunden hat ist die Fahrt damit auch noch mal ein Erlebnis für sich. Die düsen nämlich bisweilen mit offenen Türen durch die Stadt, lassen Leute unterm Fahren aus- und einsteigen und rasen mit geschätzt 70 km/h durch die Straßen. Wenn jemand zu langsam ist gibt es kurzerhand einfach ein kleines Hupkonzert und der Schleicher wird gekonnt überholt, deshalb ist es auch meistens recht abenteuerlich einen Stehplatz zu haben.

Außerdem gibt es noch ein weiteres „Verkehrsmittel“ das ich euch Vorstellen möchte: Die sogenannten „Ascensores“. Da die Stadt sich insgesamt über 45 Hügel erstreckt gibt es an verschiedenen Stellen immer wieder Transportaufzüge (Ascensores). Diese werden heute jedoch weniger von Einheimischen sondern vielmehr von Touristen genutzt und erleichtern den Aufstieg in die schönsten Viertel der Stadt.

Nun möchte ich euch auch berichten, was Valparaíso so besonders und so wunderschön macht. Meiner Meinung nach hat sie sich den Titel „La Joya del pacifico“ (=Juwel des Pazifiks)aus dem gleichnamigen Lied über die Stadt definitiv verdient. Valpo ist nämlich mit Abstand die bunteste, künstlerischste und lebendigste Stadt, die ich je gesehen habe. Egal durch welche Straße man läuft man sieht immer wieder neue Graffitis. Alles ist so individuell und egal ob an Häusern, auf Dächern, an Straßenlaternen oder auf Treppen, man entdeckt überall liebevoll und detailliert gestaltete Kunstwerke. Die Häuser, die in verschiedensten Farben gestrichen sind und an den Hügeln zu kleben scheinen fügen sich zu einem komplett kunterbunten Stadtbild zusammen, das ich bereits jetzt zu lieben gelernt habe. Dazu passt auch folgendes Zitat super gut. Der bekannte chilenische Dichter Pablo Neruda hat es Valparaíso seiner Heimatstadt gewidmet:

 

„Du bist ein Regenbogen vielfältiger Farben, Valparaiso, du großer Hafen“

 

 

Wenn man so durch die Straßen schlendert fällt einem direkt auch noch eine andere Besonderheit der Stadt in den Blick, auf die auch der Titel des Blogeintrags anspielt: Egal wo man herumläuft überall stehen kleine Mini-Verkaufsstände herum an denen man die skurrilsten Dinge einkaufen kann. Das Verkaufsrepertoire reicht von Schuhen, Fingernagelklipsern und Klopapier über Gewürze, Gemüse und Schlösser bis eben hin zu Sushi. Da ich ein absoluter Sushi Liebhaber bin habe ich mich besonders darüber amüsiert, dass es hier einige Verkäufer gibt, sich einfach mit einer Plastikbox voller Sushi auf die Straße setzen und dieses verkaufen. Auch wenn ich mich noch nicht getraut habe das Sushi dann auch wirklich zu kaufen, haben wir dennoch schon von den Angeboten gebrauch gemacht und uns einen Stöpsel für unser Waschbecken, Schlösser für die Spinde im Fitnessstudio und Gewürze für unsere WG gekauft.

An dieser Stelle möchte ich abschließend auch noch zum zweiten Teil meines Blogeintrags überleiten und euch mein Zuhause vorstellen:

„La Guay“- Das YMCA Haus

Das YMCA Haus (links) mit unserem Balkon im obersten Stock


Wir vier Freiwilligen sind direkt im Haus des YMCA Valparaiso untergebracht, das sich sehr zentral nahe am Meer befindet und „La Guay“ bzw. auf Deutsch der Guay genannt wird. In Südamerika sind alle YMCA Gebäude Fitnessstudios. Deswegen kennen die meisten Chilenen den CVJM auch eher als eine Art Sportverein mit verschiedenen Sportangeboten. Dass das Fitnesstudio eigentlich nur die Finanzierungsmethode für die sozialen Projekte und die Jugendarbeit des örtlichen CVJM ist, wissen die meisten gar nicht. Im YMCA Haus haben wir uns die letzten Wochen liebevoll unsere kleine Wohnung im letzten, dem fünften Stock des Gebäudes eingerichtet. Auf dem selben Stockwerk gibt es auch noch ein Paar Gästezimmer die gemeinsam ein kleines Hostel bilden, das ab und an Gäste des YMCA beherbergt. 

Direkt unter uns im vierten Stock befindet sich der Jugendraum, in dem der Jugendkreis und die Jugendleiterausbildung immer stattfinden. Außerdem gibt es dort noch eine Küche, in der wir unter der Woche für uns und Samstags beim Comedor immer für die Obdachlosen kochen und eine Turnhalle in der unter der Woche Volleyball, Basketball und Fußball gespielt wird.Der zweite und dritte Stock sind komplett mit Räumen für das Fitnesstudio besetzt. Das schönste am ganzen Haus ist meiner Meinung nach der Blick aus dessen Hauptraum auf den Hafen und das Meer. Es ist nämlich echt cool auf dem Laufband zu stehen und mit Blick auf die See vor sich hin zu joggen. Deswegen waren die wahrscheinlich auch schon jedes mal als ich drauf wollte belegt :D. Eigentlich bin ich wirklich froh in einem Fitnessstudio zu wohnen, denn so kann ich dem überwiegend relativ ungesundem Essen, das es hier gibt hoffentlich wenigstens ein bisschen entgegenwirken. Über das chilenische Essen werdet Ihr auch in meinem nächsten Blogeintrag etwas erfahren, in dem ich Euch von dem chilenischen Nationalfeiertag oder auch der Nationalen-Feier-Woche, was wohl die bessere Bezeichnung dafür wäre, erzählen möchte!

Ihr könnt übrigens jetzt bereits auch schon in der Rubrik Projekte stöbern, in denen ich bereits die ersten Tätigkeitsbereiche vorstelle. Diese wird aber noch mit mehreren Einträgen und Bildern vervollständigt! Also immer mal nachschauen, ob es schon was neues gibt!